Was ist HEMA?

Als Historische Kampfkünste (auch HEMA genannt, von englisch Historical European martial arts) bezeichnen sich Kampftechniken, die in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert verbreitet waren. Die historischen europäischen Kampfkünste umfassen neben den Disziplinen des europäischen Mittelalters mit Schwertern, Dolchen, Stangenwaffen oder dem Ringen auch Systeme der Neuzeit mit dem Rapier, verschiedenen Degen und Säbeln.

Was ist ein HEMA-Freikampf?

Unter HEMA-Freikampf versteht man eine sportliche Auseinandersetzung zweier Fechter, die mit geeigneter Schutzausrüstung und stumpfe Schwerter frei, also ohne abgesprochene Aktionen gegeneinander kämpfen. Bei der Wertung gibt es unterschiedliche Systeme, eines davon ist der in unserem System eingesetzte 3W-HALAG-Regel. CHALLENGE.3W basiert also auf diese Kampfregeln. Gekämpft wird mit vollem Kontakt.

PROLOG - EPIC MEANING

Das Ziel eines jeden HEMA-Kampfkünstlers ist herausfordernd: Durch Training, Übung und Forschung im sportlichen Freikampf mit Schutzausrüstung und möglichst wenigen Regeln erfolgreich zu sein. Doch das ist nicht einfach, da jede Gruppe, jeder Verein und jede Organisation unterschiedliche Schwerpunkte setzt. Einige wollen realistisch kämpfen, andere ein Turniersystem etablieren, und wieder andere legen Wert auf die Unterhaltung der Zuschauer. 

Diese epische Aufgabe gestaltet sich jedoch im Trainingsalltag schwieriger als gedacht. Wie erkennt man seine Stärken und Schwächen im Freigefecht, wenn kein persönlicher Trainer zur Verfügung steht? Haben wir die Anleitungen unserer Trainer im Freikampf erfolgreich umgesetzt? Wie oft überleben wir einen Kampf unverletzt? Wie oft können wir unseren Gegner besiegen, bevor wir selbst "sterben"? Wer ist unser persönlicher Nemesis?

Nach einem Trainingstag mit durchschnittlich 10-20 Freikämpfen hat jeder von uns ein gutes Gefühl dafür, wie er an diesem Tag abgeschnitten hat. Doch wie sieht es nach 3-4 Wochen oder sogar nach 6 Monaten aus? Haben wir uns weiterentwickelt und überleben mehr Kämpfe als zuvor?

ZIELSETZUNG
Diese Fragen haben uns dazu inspiriert, ein System zu entwickeln, das aus drei wesentlichen Komponenten besteht:

- Einfach zu bedienen sein sollte (ohne Schiedsrichter, Protokollführer, Listenführung, usw.).
- So viele und komplexe Informationen wie möglich liefern sollte (einschließlich Auswertungen im zeitlichen Verlauf).
- Einen anhaltenden Anreiz bieten sollte (durch spielerische Elemente und "Gamification").


1. FIGHT - An der ersten Stelle steht das Kämpfen.

How much can you know about yourself, you've never been in a fight?" - Tyler Durden

Das System basiert aktuell auf ein sehr simples Regelwerk namens 3W-HALAG (CC BY-SA 3.0 DE).
Diese Freikampfregeln basieren auf dem sogenannten HALAG-Regelwerk (CC BY-SA 3.0 DE) das von Marcus Hampel und Tobias Wenzel entwickelt und niedergeschrieben wurde. Die Regeln sind bewusst schlicht und zeigen eine gewisse Radikalität. Es gibt keine Gewinner, nur Überlebende. Die einzige Trophäe oder der einzige Preis ist es am Leben zu bleiben, am besten unverletzt. Es gibt keine Schiedsrichter, jeder zählt seine erlittenen Treffer selbst. Der Kampf endet nach einem (simulierten) "tödlichen" Treffer am Kopf und / oder zwei (simulierten) "nicht-tödlichen" Treffern am Körper, danach ist noch ein letztes „Nachschlagen“ des “getöteten” erlaubt. Marcus Hampel sagt dazu:

Wir lassen auf der einen Seite also nichts unversucht, uns an das Ideal "Echt-Kampf" so weit wie möglich heranzutasten, auf der anderen Seite haben wir eine eingebaute Notbremse... unseres Erachtens sinnvoll, denn Verletzungen lassen sich nicht simulieren, die lassen sich nur realisieren.“ - Marcus Hampel

So enden unsere Freikämpfe für jeder Kämpfer stets mit einem klar definierten Status:
TOD | VERWUNDET | UNVERLETZT

2. SCAN - Nach deinem Kampf scannst du dein Ergebnis ein.

Simplicity is the ultimate sophistication." - Leonardo Da Vinci

Am Ende eines Kampfes müssen die Ergebnisse möglichst schnell, ohne Betreuer und eindeutig erfasst werden. Nach einigen Prototypen haben wir uns letztendlich für QR-Codes (Entwickelt by Denso Wave Incorporated) als Medium entschieden. Jeder Fechter besitzt drei, eigens für ihn ausgestellte Wertungsmarken. Dabei steht die grüne Wertungsmarke für den Status „UNVERLETZT“, die gelbe Wertungsmarke für “VERWUNDET” und die rote Wertungsmarke für „TOD“.

Alle Wertungsmarken tragen einen QR-Code in dem der Name des Kämpfers, der jeweilige Status und weitere Informationen kodiert wurden. Diese Wertungsmarken trägt jeder Kämpfer mit einer flexiblen Schnur an seiner Fechtjacke, Hose, etc. und zieht nach dem Kampf die benötigte Marke nach vorne zum Scanner und scannt es ein. Dazu reicht zum Beispiel ein internetfähiges Mobiltelefon mit einer installierten App zum Erfassen von QR-Codes.

Schnell, einfach und eindeutig. Damit mehr gekämpft und weniger verwaltet wird.

3. IMPROVE - Du überprüfst und analysierst deine Ergebnisse und Statistiken.

Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein!"- Philip Rosenthal

Die nach diesem Prinzip eingesammelten Informationen und das datenbankbasierte Auswertungssystem ermöglichen uns eine verhältnismäßig komplexe Analyse. Es können damit anschauliche Aussagen über die eigenen Fähigkeiten getroffen werden. Ebenfalls kann man sich das Ganze als grafisch aufbereitete Kurvenverläufe ausgeben lassen. Berechnet werden dabei u.a. die Anteile der einzelnen Status (tot - verwundet - unverletzt), eine prozentuale Überlebenswahrscheinlichkeit sowie z.B. die Kontinuität der Leistung. Diese Werte gilt es zu verbessern.

Wie bringe ich aber Menschen dazu spröde Zahlen und Statistiken als Motivation oder gar als Selbstkritik zu sehen? Das Zauberwort heißt Gamification. Die im Kampf errungenen Punkte werden in unserem System zu Erfahrungspunkten (XP) , daraus resultierend entsteht eine Rangtabelle, besondere Fähigkeiten, Auszeichnungen, Wanderpokale und Quests werden vergeben und wer sich jetzt an diverse Rollenspiele erinnert fühlt liegt hier Gold richtig. Es entsteht eine Art Rollenspiel, bei dem aber jeder Mitspieler vom Sofa aufstehen, die Chip Tüte und den Controller zur Seite legen und in der Fechthalle mit richtigen Menschen nach möglichst realistischen Regeln kämpfen, siegen oder verlieren muss. Bei der Vergabe von Erfahrungspunkten, Fähigkeiten und Auszeichnungen gibt aber nicht die Fantasie den Ton an, sondern reale fechterische Eigenschaften die es zu entwickeln oder zu verbessern gilt. 

Gamification in der Praxis

Um den Fortschritt jedes Kämpfers in kumulierter Form anzuzeigen integrierten wir eine Reihe Auswertungen auf unsere Seite. Einige Komponenten sieht jeder Kämpfer nur selbst andere wiederum wird von allem Kämpfer verfolgt. Diese sogenannten BOARDS haben unterschiedliche Aufgaben und werden laufend weiter entwickelt und verbessert. Im Einzelnen sind das zum Beispiel:

CHALLENGE BOARD | Die gewonnenen Werte werden nach Anmeldung in unserem Online-System auf einem Challenge Board, einer Art Startseite, angezeigt. Das Challenge Board ist das Herzstück des Systems und beinhaltet neben persönlichen Daten auch alle Auswertungen. Auf dem Challenge Board angezeigte Informationen werden laufend weiterentwickelt und ergänzt.

RANKING BOARD | Eine Rangliste ermöglicht es, den Fortschritt anderer Kämpfer einzusehen. Wir verwenden anstatt realer Namen nur AVATARE. Ziel ist es hierbei einen direkten Vergleich „Fechter A ist besser als Fechter B“ zu unterbinden, da dieses in unserem Verein weder erwünscht und auch nicht in der ganzheitlichen und langfristigen Entwicklungsbetrachtung begründet ist.

AWARD BOARD | Award Boards zeigen alle durch Kämpfer errungene Auszeichnungen und Wanderpokale an. Auf den Award Boards werden die Kämpfer mit Ihren realen Namen aufgelistet. Die genauere Bezeichnung alle Auszeichnungen und Wanderpokale wird am Ende der Seite erklärt. 

Es gibt auch verschiedene andere BOARDS im System, von denen jedes seine eigenen speziellen Aufgaben erfüllt.


Chancen und Risiken - Quo Vadis?

Wo viel verloren wird, ist manches zu gewinnen." - Johann Wolfgang von Goethe

Hauptziel dieses Systems ist die eigene fechterische Entwicklung bei den Freigefechten zu beobachten und zu analysieren. Aufgrund der gewonnen Daten lassen sich gezielte individuelle Trainingspläne entwickeln um vorhandene Defizite auszugleichen oder weniger ausgeprägte Fähigkeiten verstärken.
Beispiele:

- Wenn ein Kämpfer nach 200 absolvierten Freigefechten bei dem Fähigkeitspunkt „Surviver instinct“ den Status „beginner“ (=weniger als 100 überlebte Kämpfe) erreicht, muss er an seinen defensiven Fähigkeiten arbeiten.

- Wenn ein Kämpfer nach 200 absolvierten Freigefechten bei dem Fähigkeitspunkt „Killer instinct“ den Status „beginner“ (=weniger als 100 getötete Gegner) erreicht, muss er an seinen offensiven, kampfentscheidenden Fähigkeiten arbeiten.

Turniere
Das gesamte Auswertungssystem kann natürlich auch bei einem Turnier eingesetzt werden. Wir denken hierbei nicht an klassische Big-Events a la Swordfish. Viel mehr an spezielle Kampf- Events, an deren Ende zwar keine Pokale aber sehr detaillierte Auswertungen über die eigenen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen zu erwarten sind. Die Ergebnisse können bei Bedarf direkt auf einer Leinwand oder einem Monitor Live sichtbar gemacht werden. 

Risiken
Das System basiert auf Ehrlichkeit.

Aufrichtigkeit ist wahrscheinlich die verwegenste Form der Tapferkeit." - William Somerset Maugham

Es gibt keine Schiedsrichter und auch keine Videoaufnahmen um ein Ergebnis zu revidieren. Aus diesem Grund werden Treffer nur von dem oder der GETROFFENEN gewertet (oder ignoriert). Wie ehrlich jeder seine eigenen erlittenen Verletzungen anzeigt muss jeder selbst mit seinem eigenen Gewissen vereinbaren. Um ein praktisches Beispiel zu verdeutlichen bedeutet dies: Wenn jemand einen potentiell tödlichen Kopftreffer kassiert diesen aber nicht signalisiert (d.h. den Kampf nicht unterbricht, usw.) dann gibt es keine Diskussion und auch keinen Streit. In diesem Fall hat er entweder:

- subjektiv keinen Treffer mitbekommen. Dies ist eine fechterische Fehldeutung, kann jedem passieren und sollte vom Gegner -nach dem Kampf- zumindest angesprochen werden. Oder

- den Treffer bewusst ignoriert um seine eigenen Ergebnisse und Statistiken zu verbessern. Hiermit beweist der  Fechter leider, dass er den Grundsatz unserer Kampfkunst und das System CHALLENGE.3W (noch) nicht verstanden hat. Ehrlichkeit und Mut zu den eigenen Fehlern muss hier im Vordergrund stehen. Egoismus, Selbstüberschätzung, Ungerechtigkeit, wenn sie nicht behoben werden, verhindern den Fortschritt auf unserem Weg.

Wir glauben fest daran, dass Fechten mehr als nur Sport ist und zur Charakterbildung wesentlich beitragen kann bzw. muss. Deshalb ist das Risiko "cheaten" zu können groß, der Nutzen dieses Verhaltens aber für jeden selbst wertlos, denn er betrügt nur sich selbst. Dieses Risiko lässt sich natürlich Problemlos durch der Einsatz einen erfahrenen Hauptkampfrichter minimieren.

Epilog

Wir sind davon überzeugt, dass langfristige Analysen und Auswertungen in einem spielerischen Umfeld viel dazu betragen können ein Gesamtbild über die eigenen Fähigkeiten, Schwächen und Stärken im Freikampf zu offenbaren. Die Belohnung ist dann nicht nur ein virtueller Pokal oder ein neuer Patch auf der Fechtjacke, sondern ebenso die zusätzlich gewonnene fechterische Fähigkeit wie z.B. eine optimale Bewegungslehre bei mehreren Gegnern, der sparsame Einsatz der eigenen Ressourcen bei vielen Gegnern, usw. Die eigentliche und alles entscheidenden Belohnung ist aber eine ganz andere:

Der eigene Fortschritt, Charakterbildung und der Wille, stets ein besserer Fechter und Mensch zu werden!

Anerkennung
Wir danken Marcus Hampel von dem Verein Anno 1838 für die Entwicklung und Betreuung des HALAG-Regelwerks die für unsere eigene 3W-HALAG Regelwerk als Grundlage diente. Außerdem danken wir die Interessengemeinschaft Tremonia Fechten Dortmund für die Inspiration aus dem HALAG-Regelwerk mittels Statistische Auswertungen noch mehr herauszuholen.

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